9. März 2022

Haushaltsrede 2022

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Stellungnahme zum Budgetentwurf 2022
der Stadt Gronau vom 09.03.2022

(es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Doetkotte,
sehr geehrte Damen und Herren,

im vergangenen Jahr haben wir uns pandemiebedingt darauf verständigt keine Haushaltsreden zu halten und stattdessen unsere Statements schriftlich zum Protokoll zu geben. In diesem Jahr können wir trotz nie dagewesener Inzidenzwerte und sehr hohen Infektionszahlen dennoch wieder Präsenzveranstaltungen durchführen und sogar Zugangsbeschränkungen für Unterhaltungs- und Gastronomiebetriebe werden gelockert. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass seit Beginn der Coronapandemie rechnerisch jeder fünfte Mensch im Kreis Borken an COVID-19 erkrankt war oder noch ist. Zum Glück haben wir bisher eine Sterblichkeitsquote von unter einem Promille und dies ist nicht etwa der Harmlosigkeit des Virus zu verdanken wie einige unbelehrbare und verblendete Coronaleugner und Querdenker unermüdlich propagieren, sondern liegt an den Vorsichtsmaßnahmen wie Abstandsregeln und Maskenpflicht und einer wirklich sehr guten Impfquote im Kreis mit hochwirksamen Impfstoffen.

Die UWG-Fraktion hofft, dass damit die Pandemie langsam endet und in eine endemische Lage eintritt, welche von unserem Gesundheitssystem beherrschbar ist, denn eine weitere schwere Welle im Herbst / Winter in diesem Jahr wäre nicht zu verantworten. Aus diesem Grund rufen wir weiterhin dringend dazu auf: „Lassen sie sich impfen und halten sie ihren Impfschutz aufrecht, denn nur gemeinsam können wir diese Pandemie besiegen!“

Aber nicht nur die Coronapandemie beeinträchtigt unser Leben, seit dem 24. Februar diesen Jahres ist mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine der Schrecken des Krieges mit aller Brutalität nach Europa zurück gekehrt. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs vor einem dreiviertel Jahrhundert mussten wir schon den Jugoslawien- und den Tschetschenienkrieg, sowie die russische Intervention in Georgien und die völkerrechtswidrige Annexion der Krim erleben. All dies war schlimm und durch nichts zu rechtfertigen, aber leider haben Wladimir Putin und seine Militärs nun die Spirale der Gewalt weitergedreht, indem sie einen Angriffskrieg auf den souveränen Staat der Ukraine begonnen haben, welchen sie in zynischer Weise als: „militärische Sonderoperation zur Entnazifizierung der Ukraine“ bezeichnen. Dieser verbrecherische Akt muss gerade uns als Deutsche an unsere Verantwortung erinnern, denn schließlich waren wir es, die den letzten Angriffskrieg in Europa begannen und damit den zweiten Weltkrieg entfesselten.

Wenn heute auf dem Titel der aktuellen Ausgabe des Spiegel die Schlagzeile lautet: „Kampf um Kiew“, dann drängt sich mir der Bericht über die letzte Schlacht um Kiew auf, welchen ich damals im Geschichtsunterricht über das 3. Reich durchgenommen habe. Im September 1941 besetzte die Wehrmacht nach einer fürchterlichen Kesselschlacht Kiew und konnte erst nach zwei Jahren durch die rote Armee verdrängt werden. Die Befreier von damals sind die Aggressoren von heute. Nur die Ukraine ist wiederum das Opfer und die Menschen bezahlen den höchsten Preis für ihr Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung.

Genau aus diesem Grund sind gerade wir als Deutsche ganz besonders gefordert hier unserer Verantwortung gerecht zu werden. Wir müssen der russischen Aggression mit allen nichtmilitärischen Mitteln entgegentreten und gleichzeitig den Flüchtlingen aus der Ukraine helfen und sie aufnehmen, denn die Ukraine ist nur Ziel dieses Angriffs geworden, weil sie unsere Werte und Vorstellungen einer freien und demokratischen Grundordnung teilt. Wir hier im Münsterland haben bereits 2015 gezeigt, dass wir einer solchen Herausforderung gewachsen sind und ich bin guten Mutes, dass wir das auch diesmal bewältigen können und werden!

Angesichts dieser Entwicklungen und den ständigen Bildern im Fernsehen und Internet von Krieg und Elend fällt es nicht leicht den Focus auf den städtischen Haushalt zu richten. Allerdings geht das Leben weiter und wir müssen zuvorderst die Probleme hier vor Ort lösen und da möchte ich mich in erster Linie der Finanzsituation und unseren Personalproblemen widmen.

Der Rat der Stadt Gronau hat in den vergangenen Jahren mit großer Mehrheit eine Vielzahl von Investitionsvorhaben beschlossen. Diese betrafen in erster Linie die Verwaltungsstandorte, die Innenstadtentwicklung und natürlich die Investitionen in Schulen und Straßen. Bereits im Jahr 2020 erreichte die geplante Investitionssumme mit 45 Millionen Euro eine völlig unrealistische Höhe. Tatsächlich umgesetzt werden konnten hiervon 30 Millionen. Diese Investitionssumme entspricht auch in etwa der Leistungsfähigkeit unserer Verwaltung, wenn sie einen normalen Personalbestand aufweist.

Im letzten Jahr habe ich bereits in meiner Haushaltsrede auf das Missverhältnis der geplanten Investitionsvolumina in Höhe von 95 Millionen Euro hingewiesen und den daraus resultierenden Kreditermächtigungen, welche nur aufgrund der Tatsache das die Stadt Gronau sich quasi zum Nulltarif Geld leihen kann nicht zu stärkeren Verwerfungen im Haushalt führt. Auch in diesem Jahr plant die Verwaltung neue Investitionen in Höhe von 82 Millionen Euro. Dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden, da diese Zahlen absolut unrealistisch sind. Wir können uns natürlich immer weiter irgendwelche astronomischen Summen in den Haushalt schreiben um damit den Kämmerer zu ermächtigen die entsprechenden Kredite aufzunehmen, aber wirklich sinnvoll ist das nicht, wenn unsere Umsetzungsquote bei 25 – 30 Millionen Euro liegt. Deshalb halten wir es auch für absolut erforderlich die Maßnahmen zu priorisieren und endlich eine Reihenfolge zur Abarbeitung festzulegen.

Dabei stehen für die UWG-Fraktion die Investition in unsere Schulgebäude, die Innenstadtentwicklung und damit auch der historische Rathausstandort an oberster Stelle. Die Sanierung des Deilmannrathauses oder weitere Investitionen in Sportanlagen an der Laubstiege dürfen durchaus in einem weiteren Schritt erfolgen.

Ebenso sollte es klar sein, dass nicht jedem Wunsch für die neue Sportanlage von FC Epe und Turnverein Epe entsprochen werden kann. Es muss eine Ausbauvariante gefunden werden, welche die Bedürfnisse des Vereinssports abdeckt, ohne gleichzeitig den städtischen Haushalt aber auch die Vereinsfinanzen zu überfordern. Eventuell müssen wir hier in Bauabschnitten vorgehen und den bestehenden Kunstrasenplatz noch eine gewisse Zeit weiternutzen. Auch sieht die UWG-Fraktion derzeit keine Notwendigkeit zusätzliche Investitionen in unsere Bäderinfrastruktur zu tätigen. Ganz besonders nicht, wenn diese Kosten zu Lasten des Ergebnisses der Stadtwerke Gronau oder zulasten der Eintrittspreise für Familien und Kinder gehen. Nicht alles was wünschenswert ist, ist derzeit auch zu realisieren!

Wie gesagt, es bringt überhaupt nichts sich irgendwelche unrealistischen Investitionssummen in den Haushalt zu schreiben und damit auch bei den Bürger*innen die Hoffnung auf zeitnahe Realisierung zu wecken. Allerdings muss man dem Bürgermeister und dem Kämmerer zugutehalten, dass die Haushaltssystematik ihnen nicht viel Spielraum lässt, wenn wir als Rat ständig neue Maßnahmen fordern und auch beschließen.

Anders sieht es mit den ebenfalls millionenschweren Grundstückseinkäufen der letzten Monate aus, welche wir immer wieder getätigt haben. Das war in vielen Fällen sicherlich richtig, und ist für zukünftige Haushalte auch nicht nachteilig, da auch Werte geschaffen werden. Diese Entwicklung muss aber nun ein Ende haben, denn es hilft uns nichts, wenn wir Flächen wie das „Hertieareal“ in Gronau oder die „Germania“ in Epe nicht einer zukunftsfähigen Nutzung zuführen können. Ebenso liegen die Markenfortflächen, die Flächen an der Grenze zu Glanerbrug (NL) oder Richtung Gildehaus nutzlos in der Bilanz, wenn wir sie nicht zeitnah entwickeln können. Deshalb muss aus Sicht der UWG-Fraktion Schluss sein mit diesen Aufkäufen in Millionenhöhe. Auch im aktuellen Budgetentwurf sieht die Verwaltung erneut einen Betrag von 12,5 Millionen Euro für den Erwerb von unbebauten Grundstücken vor. Wir werden diese Posten sehr kritisch begutachten und nicht generell mittragen.

Leider ist der Bürgermeister unserer letztjährigen Aufforderung nicht gefolgt, den Prozess der „Haushaltskonsolidierung“ aufzunehmen, sondern schlägt stattdessen eine Gewinnausschüttung mit anschließender Kapitalrückführung zwischen dem Abwasserwerk und der Stadt Gronau vor. Diese Maßnahme werden wir mittragen. Was wir nicht mittragen werden ist die vorgeschlagene Steuererhöhung der Grundsteuersätze A und B, da wir zuerst eine Ausgabenkritik erwarten, bevor neue Einnahmen generiert werden. Dass die Planung von Steuereinnahmen allerdings auch zum großen Teil aus Kaffeesatzleserei bestehen, durften wir vor zwei Wochen erfahren, als der Kämmerer uns ein um 23,6 Millionen Euro verbessertes Jahresergebnis für das Jahr 2021 in Aussicht stellte. Zur Erinnerung: noch im Herbst sind wir von einem Minus von 17 Millionen Euro ausgegangen und nun erwarten wir ein Plus von 6,3 Millionen Euro. Vor diesem Hintergrund sind wir froh, dass die geplanten Steuererhöhungen vom Tisch sind, denn sie wären angesichts dieser Zahlen auch keinem Bürger plausibel zu erklären gewesen.

Dennoch stehen die gesteigerten Steuersätze weiterhin in der mittelfristigen Finanzplanung und das strukturelle Ungleichgewicht unseres Haushalts besteht auch weiterhin!

Aus diesem Grund müssen wir uns endlich der Konsolidierung und er Ausgabenkritik widmen und deshalb fordern wir den Bürgermeister und den Kämmerer erneut auf, diesen Prozess möglichst noch vor der parlamentarischen Sommerpause zu starten, damit die Ergebnisse in die Aufstellung des Budgets 2023 fließen können. Die UWG-Fraktion ist dazu bereit und ebenfalls gewillt eine mittelfristige Steuerstrategie zu unterstützen, wenn die Ausgabenseite kritisch beleuchtet wird. Sollte dieser Prozess nicht gestartet werden, wird die UWG-Fraktion zukünftige Haushalte nicht mehr mitverantworten können!

Geplante Investitionen sind notwendig um eine Stadt gestalten zu können und die entsprechenden Finanzmittel sind erforderlich um das zu realisieren. Allerdings müssen auch die Menschen verfügbar sein, um die Arbeit zu erledigen. Und da sieht es im Moment nicht sehr gut in unserer Verwaltung aus. Über 50 Stellen sind derzeit unbesetzt und es gibt Berichte über Mitarbeiter*innen welche sich in andere Verwaltungen wegbewerben, sowie einen geringen Zuspruch auf unsere Stellenausschreibungen. Diese Entwicklung ist nicht alleine mit dem viel beschworenen Fachkräftemangel zu erklären. Hier liegen nach unserer Auffassung massive Fehler in der Personalführung und Einsatzplanung durch die Verwaltungsleitung vor. Das betrifft sowohl den Fachbereich der ersten Beigeordneten Frau Cichon (hier insbesondere die Schulverwaltung), als auch die Bauverwaltung. In fast allen Abteilungen liegen Arbeitsüberlastungsanzeigen vor und die Stellungnahmen der Gleichstellungsbeauftragten und des Personalrats sind alarmierend!

Es kann nicht angehen, dass sogar Pflichtaufgaben nicht mehr erledigt werden können und die Belastung der Belegschaft so groß wird, dass der Krankenstand über das normale Maß hinaus zunimmt. Ein weiteres großes Problem ist die Belastung und der Aufgabenstau in der Personalabteilung. Wenn die Verwaltung nicht mehr in der Lage ist ihre originären Aufgaben zu erfüllen, dann müssen zusätzliche Projekte, bzw. weitere Aufgaben verschoben oder gestoppt werden. Hier kommt der Verwaltungsleitung und insbesondere dem Bürgermeister ein hohes Maß an Verantwortung zu. Die UWG-Fraktion hat aus diesem Grund auch den meisten der zusätzlich geforderten neuen Stellen zugestimmt, in der Hoffnung bald die Leistungsfähigkeit der Verwaltung wieder auf ein normales Level zu heben. Als weiteren wichtigen Aspekt sehen wir unseren Antrag zur grundsätzlichen Entfristung der Arbeitsverträge im Bereich der Schulsekretariate und Kindertagesstätten an. Hiermit wird den Mitarbeiter*innen endlich eine dauerhafte Perspektive und Sicherheit gegeben und der Status der Stadt Gronau als guter Arbeitgeber gestärkt.

Aus diesem Grund und weil die unnötigen Steuererhöhungen für die Grundsteuer A und B zurückgenommen werden, können wir dem vorliegenden Budgetentwurf zustimmen. Sollten allerdings die Probleme im Personalbereich nicht zügig abgestellt und die Investitionsvolumina der Leistungsfähigkeit der Verwaltung angepasst werden, dann werden wir zum Scheitern verurteilt sein! Noch habe ich aber Hoffnung, dass wir gemeinsam die großen Aufgaben bewältigen können und ebenso hege ich die Hoffnung auf ein Ende des Krieges in der Ukraine.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Jörg von Borczyskowski
(UWG-Fraktionsvorsitzender)


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